In Frankfurt geboren, im Wesen dennoch ein Westfale: Herbert Hans Grüntker, Chef der Hessischen Landesbank Helaba, wirkt bei öffentlichen Auftritten bodenständig, strebsam und ruhig. Als er jedoch nach seinem Start in die Finanzwelt gefragt wird, gerät er ins Schwärmen.
„Als ich anfing, war der Beruf des Bankers einer der schönsten Berufe, die man wählen konnte“, sagt er, und seine Augen blitzen vor Begeisterung. Das war vor mehr als 40 Jahren. Grüntker machte damals eine Bankausbildung bei der Commerzbank in Wuppertal. „Heute ist es immer noch einer der interessantesten Berufe“, sagt der Bankchef bei einer Podiumsdiskussion der Euro Finance Week vor einigen Wochen. Man solle dafür aber auch eine gewisse Leidensfähigkeit mitbringen.
Das scheint realistisch. Denn tatsächlich haben wohl nur wenige Berufe in den vergangenen Jahren derart an Prestige eingebüßt wie der des Bankers. Sein Wirken gilt vielen in Abwandlung eines früheren Slogans der Deutschen Bank („Leistung aus Leidenschaft“) als „Leistung, die Leiden schafft“.
Schuld daran ist immer noch die Finanzkrise vor mehr als zehn Jahren, in der Institute vom Staat gerettet werden mussten. Während damals vor allem die üppige Bezahlung einiger Investmentbanker für Schlagzeilen sorgte, geht es heute vor allem um Sparrunden, Stellenstreichungen und Filialschließungen. Digitalisierung und Minuszinsen machen den Beruf zum Auslaufmodell.
„Banker ist ein wahnsinnig attraktiver Beruf“
Früher wählten gute Abiturienten eine Ausbildung bei der Bank, weil sie einen sicheren Job und eine gute Grundlage für die weitere Karriere versprach. Mit einer Banklehre könne man nichts falsch machen, hieß es. Weil es entsprechend viele Bewerber gab, konnten sich die Institute die besten aussuchen.
Das ist heute nicht mehr so. „Die größten Nachwuchsprobleme haben wir bei den Volks- und Raiffeisenbanken auf dem Land“, sagt Uwe Fröhlich, Co-Chef der genossenschaftlichen DZ Bank. Genauso wie Grüntker absolvierte er vor dem Studium der Betriebswirtschaftslehre eine Banklehre. Dass sich die Jugend so skeptisch verhält, ist für ihn ein Fehler.
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„Es ist ein wahnsinnig attraktiver Beruf“, sagt Fröhlich, der zudem feststellt, dass „Wertfragen wie Nachhaltigkeit“ für Bewerber sehr wichtig geworden seien. Da können die Genossenschaftsbanken, bei denen es in den vergangenen Jahren kaum öffentlichkeitswirksame Skandale oder Notrettungen gab, imagemäßig punkten.
Das fällt der Deutschen Bank schon schwerer. Nachdem sie viele Jahre vor allem mit teuren Prozessen und Schadenersatzzahlungen in den USA für ungewollte Aufmerksamkeit sorgte, schrecken nun ihr scheinbar kaum zu bremsender Niedergang und der erst kürzlich aufs Neue verschärfte Sparkurs Interessenten ab. Das sollte man jedenfalls meinen.
Vizechef Karl von Rohr sieht das jedoch anders und hält die Bank weiterhin für ein attraktives Ziel für Talente. Die müssten Prozesse strukturieren können und Abläufe verstehen, wissen, was die Kunden wollen, und über Führungsqualitäten verfügen. „Es kommt viel auf Methodenkompetenz an, weniger auf Fachwissen“, sagt der Vorstand. Im Laufe des Berufslebens könne man sich viel erarbeiten.
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Von Rohr selbst studierte Jura, bevor er seine Karriere bei der Deutschen Bank begann und damit eine klassische Bankerausbildung wählte. Es gibt jedoch auch prominente Gegenbeispiele: Die Deutschland-Chefin der HSBC, Carola von Schmettow, studierte Mathematik, Physikalische Chemie und Gesang, bevor sie ihre Tätigkeit bei der Bank aufnahm. Und auch ein Quereinstieg ist möglich: Der frühere Goldman-Sachs-Chef in Deutschland, Alexander Dibelius, startete seine Karriere als Assistenzarzt für Chirurgie.
Völlig gleichgültig ist die Ausbildung deshalb jedoch nicht. „Der Anteil der Trainees mit technischem oder naturwissenschaftlichem Hintergrund ist deutlich gestiegen“, sagt von Rohr. 40 Prozent der zwischen 800 und 1000 Einsteiger in dem Programm hätten einen entsprechenden Hintergrund. „Der Bankerberuf ist heute vielfältiger als vor 15 Jahren“, sagt von Rohr.
Das liegt vor allem an der fortschreitenden Digitalisierung des Berufsbildes. Die hat die Tätigkeit nicht nur stark verändert, sondern macht auch viele Jobs überflüssig. Das betrifft die Beschäftigten in der Abwicklung von Zahlungen oder Krediten ebenso wie die am Schalter in der Zweigstelle. Drei Viertel aller Kunden nutzen heute Online-Banking, etwa ein Drittel erledigt Bankgeschäfte zumindest teilweise via App. Damit sinkt die Zahl der Besuche in der Filiale – und in der Folge die Zahl der Filialen.
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Seit 2005 hat sich die Zahl der Zweigstellen von gut 44.000 auf knapp 28.000 reduziert. Experten erwarten, dass sich dieser Trend in den nächsten Jahren ungebremst fortsetzt. So hat die Deutsche Bank in den vergangenen Jahren ihr Filialnetz bereits kräftig ausgedünnt, und weitere Schließungen werden aktuell diskutiert. Auch die Commerzbank will im Rahmen ihrer Strategie Standorte verkleinern oder abbauen. Sparkassen und Genossenschaften schließen ebenfalls Filialen oder legen sie zusammen.
Kein Wunder, dass Grüntker betont, wie wichtig es ist, nicht den Kontakt zum Kunden zu verlieren. Allerdings sei dieser vor allem digital. „Unsere Wettbewerber sind die großen Plattformen. Da müssen wir aufpassen“, sagt der Helaba-Chef. Kundenfreundlich sein, bedeutet vor allem auch, Anwendungen zu schaffen, die für den Verbraucher besonders angenehm sind und bei denen er mit wenigen Klicks zum Ziel kommt. Viele erledigen ihre Bankgeschäfte, während sie auf den Bus warten.
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Hinzu kommt, dass digitale Angreifer das erprobte Geschäftsmodell mit neuen Angeboten unter Beschuss nehmen. Manche halten das Kreditwesen deshalb bereits für eine aussterbende Branche. Nicht so Carola von Schmettow: „Auch in 20 Jahren wird es den Beruf des Bankers noch geben“, sagt die Deutschlandchefin der Großbank HSBC. Er werde aber viel digitaler sein. Das sei ein Fortschritt: „Die repetitiven Tätigkeiten werden wegdigitalisiert“, sagt von Schmettow. Die neue Arbeitswelt erfordere neue Arbeitnehmer – und um die sei der Wettbewerb groß. „Wir konkurrieren alle um die Top-Talente“, sagt die Bankerin.
Das spiegelt die Änderung im Geschäftsmodell wider: „Unsere Wettbewerber sind die großen Plattformen. Da müssen wir aufpassen“, sagt Helaba-Chef Grüntker. Die Branche dürfe den Kontakt zum Kunden nicht verlieren – und müsse deshalb freundlicher als bisher zu ihm sein. Es gehe darum, Anwendungen für Verbraucher zu schaffen, die angenehm in der Handhabung und optimal im Nutzen seien.
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Dabei müsse man stets mit der technischen Revolution gehen. „Ich darf gar nicht aufzählen, wie wenige technische Hilfsmittel ich zu Beginn meiner Ausbildung zur Verfügung hatte“, sagt Grüntker. Und verrät zumindest, dass es im Vergleich zu heute sehr wenige waren.
Doch nicht nur die Digitalisierung, sondern auch die Minuszinsen bedrohen das Geschäftsmodell der etablierten Banken. In den nächsten Jahren dürfte sich die Situation sogar noch weiter zuspitzen. Denn ein Ende der lockeren Geldpolitik oder gar eine Zinswende ist unter der neuen Prädidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, erst recht nicht absehbar. In diesem Punkt sind sich die Bankchefs auf der Euro Finance Week einig.
Bewerber sollte dies aber nicht abschrecken. Vielmehr sieht Deutsche-Bank-Vize von Rohr darin auch eine Chance, dass sich die Branche reformiert. Und auch DZ Bank-Chef Fröhlich ist optimistisch. Grüntker betont, dass dies bei der Wahl des Berufes nicht vorrangig sein sollte. Letztlich komme es für den Erfolg im Job auf eine ganz einfache Erkenntnis an, sagt der Helaba-Chef: „Man ist immer dann in einem Beruf gut, wenn einem das, was man macht, Freude bereitet.“
Author: Joanne Hampton
Last Updated: 1703993882
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